Bei der Bearbeitung der 400-jährigen Geschichte von Neuenwege stellt sich die Frage, wie fing alles an?

Unsere Landschaft – das spätere Wüstenland – war aus der Übergangsphase zwischen der Saale – Eiszeit (330 Tausend Jahre v. Chr.) und der Weichsel – Eiszeit (um 10.000 Jahre v. Chr.) hervorgegangen. In der dazwischen liegenden Warmzeit schmolz allmählich die Eisdecke in dieser Region. Das zurückgehende Eis hinterließ zum Teil tiefe Einschnitte in die nun frei gelegte Landschaft. In einer Eintiefung konnte nun auch der Huntefluss sein Wasser in Richtung Nordwesten abfließen lassen. In diesem turbulenten Zeitraum wurde Sand, Lehm, Klei, Kies usw. durcheinander gewirbelt. Es kam zum Laubbaumbewuchs, der wiederum Moore entstehen ließ. In dieser Warmzeit – Periode ( um 8.000 Jahr v. Chr.) formte sich unsere Landschaft. Der Huntefluss mit seinen Überschwemmungen sorgte in seinem Einflussbereich für fruchtbaren Boden. Danach entstanden aber auch weitere Moorflächen, die dann im Süden in sandige Gebiete übergingen.

Die Besiedlung unserer Landschaft

In einem Zeitsprung so um 5.000 v. Chr. (Jungsteinzeit) waren hier zaghafte Siedlungsplätze anhand der Funde von Feuersteinbeilen und – Dolchen in unserer Gegend nachgewiesen.

Im weiteren Geschichtsablauf kam es zu größeren Ansiedlungen insbesondere in Flussnähe, so wie ein weiter östlich gelegener Siedlungsplatz mit dem späteren Namen „Bremen“. Aus früheren umherziehenden Nomaden entwickelten sich Stämme, aus der Anführer bzw. Herrscher hervorgingen.

In einem weiteren Geschichtssprung entwickelte sich eine weltlich – kirchliche Obrigkeit, die auch über großen Landbesitz verfügte. Kehren wir nach Bremen zurück. Hier residierten um 1.000 v. Chr. Bischöfe, die eben weite Landflächen herrschten.

Sie waren es auch, die Ödfläschen an siedlungswillige Bauern gegen Abgabe des Zehnten, oder durch Verkauf frei gaben.

Eine planmäßige Kolonisation erfolgte auch im Rahmen der stets wachsenden Bevölkerungszahl im Gebiet beiderseits der Weser. Im Jahre1063 v. Chr. Ließ sich der Bremer Erzbischof weite Sumpf- und Ödland Flächen vom König Heinrich IV. am westlichen Weserufer schenken. In Abschnitten setze sich diese Besiedlung nach Westen in Richtung Oldenburg fort. Um 1150 wird ein Siedlungsplatz Hollenderkerken (das spätere Holle) erwähnt.

Graf Johann der II. von Oldenburg ließ auf einem Geestrücken der Hunteniederung ein Dominikaner Nonnenkloster errichten. Die Einweihung des Klosters fand 1294 n. Chr. statt.

Vom Kloster Blankenburg (nach einer Ordensschwester Blanka genannt) gingen im Laufe der folgenden Jahrhunderte landwirtschaftlich orientierte Impulse aus. Das nahe gelegene Umfeld bot zunächst dem Kloster selbst in einem breiten Streifen fruchtbaren Bodens genügend Möglichkeiten zur landwirtschaftlichen Nutzung.

Die zunächst vom Kloster bewirtschaftete Fläche, die anfangs mit dem Begriff „Skapen“ beschrieben wurde, erstreckte sich vom Gebiet des damaligen Heiden – Walls an der Hunte im Westen und bis nach Iprump im Osten. Südlich dieses Gebietes schloss sich das Skapener Moor – Später „Hohes Moor“ – an.

Im Laufe der Jahrhunderte erschlossen siedlungswillige Bauern diese Ödland – Flächen und verwandelten sie in wertvolles Kulturland. Fortan nannten sie dieses

Gebiet „Klostermark“ (oder im Kurzform: die „Mar“)

Das Kloster war bestrebt, hier diese Moorgebiete an Bauern abzugeben, um dadurch ihre finanzielle Lage zu verbessern. Häufig erfolgte auch die Landabgabe in Form von Pachtland, um dann den „Zehnten“ erheben zu können. Diese Abgabe geschah in Hand- und Spanndienste, in Naturalien oder auch in Bargeld. Diese Abgabendienste erfolgten zu bestimmten Zeiten direkt an das Kloster oder es waren anfangs bestimmte Abgaben an den Hofstaat in Oldenburg zu leisten.

Erschwerend für diese „Fahrten“ war, dass es zu damaliger Zeit keine Wege gab. Der Zehnpflichtige war daher gezwungen, sich seinen Weg durch dieses Ödland zu suchen. In trockener Zeit konnte der niedrige Brookdeich entlang der Hunte genutzt werden.

In der nassen Jahreszeit war es problematisch sein Ziel zu erreichen. War eine mehrfach befahrene Strecke nicht emt passierbar, suchte man sich einen neuen Weg. Bei fehlenden befestigtem Fahrweg, war dies die einfache Alternative.

So entstand im laufe der Jahrhunderte der Begriff des „Neuen Weges“.

Dieser Begriff stand auch Pate für die Namensgebung einer Siedlung, die in unserem Bereich zum Kirchspiel Holle gehörte. Diese Ansiedlung von Bauernhöfen heißt bis heute Holler Neuenwege.

In dieser Zeit der Landabgabe und Ansiedlung stellte sich die Frage, woher kamen die Bauern, die gewillt waren, sich hier in dem Moor- und Ödland anzusiedeln?

Sie kamen überwiegend von der kargen sandigen Geest. Sie lernten anlässlich ihrer Zehntabgabe, bei ihren Durchfahrten unsere moorige Umgebung näher kennen.

Aber auch „abgehende Söhne“ von Bauernhöfen aus Holle und Oberhausen siedelten hier am „Neuen Weg“. Da hier das Jüngsten – Recht der Geest gilt, ist der Letzt-geborene erbberechtigt.

Besiedlung von Holler – Neuenwege

Die Siedler bauten ihre Häuser in unmittelbarer Nachbarschaft des bereits seit 1552 bestehenden Hofes von Hermen Heynemann, der vom Bornhorster Meyer-Hof stammte.

Die Häuser der 6 neuen Köter standen an der Grenze zum „Hohen Moor“ und wurden in Ständerbauweise erstellt. Zunächst packte man Heidplacken unter große Findlinge, um dann darauf die Holzständer aufzustellen. Dieser Häuser waren damals in der Regel 4 – Fach „groß“ und hatten eine Länge von rund 10 Meter.

In diesem Ständer – Haus war der Wohnbereich mit offener Diele zum Viehstall untergebracht. Diese damaligen Wohnverhältnisse waren doch recht bescheiden. Die Außenwände bestanden aus Lehm und Kuhdunk, dieses Gemisch arbeitete man in Weidenflechtwerke. Das Dach bestand aus Reith, das im Uferbereich der Hunte reichlich vorhanden war.

Die Höfe standen auf kleinen Anhöhen, den Warfen. Sie waren von einem Entwässerungsgraben umgeben. Die Gräben bildeten zugleich die Grenze zum nachbar. Das kultivierte Land hatte eine Fläche von ca. 1 Jück. Diese Fläche befand sich hinter dem Haus (in westlicher Richtung). 1 Jück = 5.602 Quadratmeter

Noch um 1740 sieht man auf einer Karte, dass diese Flächen nicht wesentlich größer dargestellt sind. Der Hof hatte damals ein Milchviehbestand von 2 bis 3 Kühen sowie ca. 2 Rinder, bei gleicher Anzahl von Schweinen.

Das Vieh wurde auf der „Neuen – weger Kötere gemeine Weyde“ getrieben. Dieses Gebiet (Parzellen Nummer 139) befand sich nordwestlich von der Siedlung entfernt am Rand des Hohen Moores.

Im Winter verfütterten die Bauern gemähte Heide an ihr Vieh.

Das Moor wurde allmählich kultiviert. Es mussten Wege angelegt die von der Gemeinheit per Hand unterhalten werden mussten. Später kamen auch schon Pferde zum Einsatz. Die Neuenweger Bauern waren auch dem Kloster zu Hand- und Spanndiensten verpflichtet. Diese Verpflichtung bestand bis 1955. Ab 1956 kam es zum Maschineneinsatz z.B. beim Reinigen der Gräben.

Der Bau der Eisenbahnlinie Oldenburg im Jahre 1867 trennte bisherige zusammenhängende Ländereien der Parzellen Nr. 11, 13, 15 und 17. Dafür bekamen die Bauern einen eigenen Bahnübergang mit Schranken. 1985 wurde dieser Übergang geschlossen. Diese Ländereien wurden durch die Flurbereinigung zusammen gelegt.

Große Sorgen bereitete den Neuenweger Köter das Wasser. In der Blankenburger Mark lief das Geestwasser über die Tweelbäke, Hemmelsbäke und Rehbäke zum Alten Siel, oberhalb von Iprump. Dieses konnte oft die Wassermassen aus der Geest nicht verkraften.

Unser Gebiet wurde oft von verheerenden Überschwemmungen heimgesucht.
„Entlastungen“ gab es, wenn der Brokdeich brach, dann ergoss sich das Hochwasser in Richtung Oberhausen.

Erst durch den Bau des Hemmelsberger Kanals 1830 gab es eine Entspannung für die Neuenweger: Dieser Kanal konnte nun das Wasser der Hemmels- und Tweelbäke abfangen.

1906 lief letztmalig das Hochwasser in die Neuenweger Häuser hinein. 1933 baute die Blankenburger Sielacht bei Iprump ein neues Schöpfwerk. Anfang des 2. Weltkrieges musste das Schöpfwerk wegen Treibstoffmangel abgeschaltet werden. Leider setzten sich dadurch die Überschwemmungen fort.

Im Winter 1961 / 1962 ereignete sich die letzte Überschwemmungen in der Blankenburger Mark. Die Holler und Blankenburger Sielachten bauten nun gemeinsam ein Hauptschöpfwerk an der Hunte. Jetzt hatte man die Überflutungen fest im griff.

Die Wege Verbindung nach Oldenburg verlief in früherer Zeit zunächst nach Nord-West über den Neuenweger Heuweg, stieß kurz vor dem Kloster auf den Neuen Weg, der dann zur Stadt führte. Auch dieser Wege abschnitt musste von den Neuenwegern ständig unterhalten werden.

1895 baute man die Klinkerstraße nach Oldenburg, sie Durchschnitt auch wieder Ländereien, aber dies nahm man wegen der kürzeren Verbindung gern in Kauf. Dies bedeutete für die Bauern einen wirtschaftlichen Vorteil. Der Warenverkehr konnte nun schneller abgewickelt werden.

Auch der Handel erlebte einen Aufschwung mit der Einrichtung der 1884 gegründeten Bezugs- und Absatzgenossenschaft beim Bahnhof Wüsting. Auf einem Zusatzgleis wurde hier Viehverladen, das zuvor auf der Waage an der Rampe gewogen wurde.

Um die Viehzucht zu verbessern, kam es 1927 zur Gründung einer Stierhaltungsvereinigung. Bullenhalter war Bauer Kläner – Nummer 17 –. Diese Station wurde 1984 aufgelöst.

Im Rahmen der Gründung der Molkereigenossenschaft Wüsting im Jahre 1903 erfuhren die Milchvieh haltenden Höhe verbesserte Absatzmöglichkeiten ihres Produktes Milch durch die neue Molkerei.

Um 1925 lieferte das in Wiesmoor ansässige Elektrizitätswerk Strom in das Oldenburger Land. Beim Bau der Stromleitung transportierten die Bauern die Masten und übernahmen dazu die Aufstellarbeiten in Eigenleistung.

Zuvor kam es zur Gründung der Lichtgenossenschaft Wüsting. Die ersten Vorsitzende dieser Genossenschaft waren Emil Linck und Wilhelm Noll.

Der elektrische Strom löste damit endlich die bisher genutzten Petroleumlampen ab. Ein enorm wichtiger Fortschritt für die Landwirtschaft setzte ein.

Aber es gab noch einen Fortschritt: 1962 versorgte das Sandkruger Wasserwerk unser Dorf mit frischem Trinkwasser. Durch Verlegung von Rohrleitungen bekam jedes Haus seinen Wasseranschluss. Diese Anschlüsse sorgten für mehr Lebensqualität. Jetzt konnten endlich Badezimmer eingebaut werden. Das Tropffass, in dem bisher Trinkwasser aufbereitet wurde, hatte ausgedient. Das Leben auf dem lande war leichter geworden.

Bei allem erwähnten Fortschritt bleibt festzuhalten, wie einfach und entbehrungsreich das Leben der ersten Siedler war. Harte Arbeit hat ihr Dasein geformt.

Es war schwer für die Menschen im 17. Jahrhundert Ödland in fruchtbares Kulturland umzuwandeln.

Wer waren nun diese wagemutigen Bauern, die zur eigenen Nutzung dieses Land urbar gemacht haben?

Hier die Namensliste der ersten Siedler . Nach heutiger Haus – Nummer Regelung:

– Hausnummer 7: (frühere Parzellen Nummer 167) .
Johann Köhler – im Rahmen der Erbfolge oder durch Kauf gab es in den vergangenen Jahrhunderten verschiedene Hofbesitzer.
Von 1745 bis 1905 befand sich der Hof im Besitz der Familie Frehse (Freese).
Durch kauf gelangte der Hof 1905 in den Besitz der Familie Heinemann, Gerhard Heinemann. Heute sind Harry und Hanna Heinemann Besitzer dieses Hofes.

– Friedrich Stork (verschiedene Schreibweisen des gleichen Namens)
Durch kauf erwarb 1619 Johann Loschen diesen Hof, er blieb bei unterschiedlicher Schreibweise des Namens bis 1984 durch Erbfolge im Familienbesitz. Danach kaufte Ulrich Schulz diesen Hof und baute ihn zur Tierarztpraxis um. Hausnummer 11: (frühere Parzellen Nummer 165).

– Berennd Köhler, der Hof blieb bis 1789 Familienbesitz, danach erwarben verschiedene Käufer diesen Hof. Seit 1989 ist der Hof im Besitz der Familie Günter und Brigitte Stolle. Hausnummer 13: (frühere Parzellen Nummer 169).

– Johann Wessels, der Hof blieb bis 1811 durch Erbfolge im Familienbesitz. Danach erlangten verschiedene Besitzer die Hofanlage. 1849 erwarb Gerhard Cordes diese Hofstelle. 1869 wurde das Anwesen von dem Weg des häufigen Hochwassers auf eine Anhöhe zurückgesetzt. Heute sind Egon und Hildegard Cordes Besitzer dieses Hof. Hausnummer 15: (frühere Parzellen Nummer 170).

– Clouwer de Röver, der Hof blieb bis 1661 im Familienbesitz, danach kaufte Dietrich Frehse diesen Hof. Er blieb 400 Jahre durch Erbfolge im Familienbesitz. Hans – Hermann und Erika Paradies sind die heutigen Besitzer. Hausnummer 17: (frühere Parzellen Nummer 171).

– Engelke Hilken, Verkauf des Hofes 1632 an Johann Brabber. Der Hof war bis 1714 im Besitz der Familie Brabber. Als neuer Käufer übernahm Johann Wichmann diesen Hof bis 1823. Harm Mönnich bekam den Hof 1828 übertragen. 1865 kaufte Hermann Claussen dieses Anwesen. Johann Diedrich Kläner erwarb 1879 diese Hofstelle sie befindet sich bis heute im Familienbesitz. Jens und Silke Kläner sind heute die Besitzer.

Bei Wechsel oder Kauf der neuen Hofstellen erwarb der neue Besitzer den Platz in der Holler Kirche sowie die Grabstellen gleich mit.

Von den ehemals 6 Köterstellen ist heute nur noch der Hof Kläner bewirtschaftet.

Die Hofstellen Nummer 7, 13 und 15 wurden verpachtet. Die Ländereien von Nummer 9 und 11 gelangten durch Verkauf an die Flurbereinigung um anschließend an die Neuenweger aufteilt zu werden. Eine wechselvolle Geschichte haben die Familien auf ihren Höfen in den vergangenen vier Jahrhunderten erlebt, geprägt von harter Arbeit verbunden mit der Bewältigung der Naturgewalten durch häufige Überschwemmungen. Die 6 Neuenweger Köter haben immer zusammengehalten und pflegen eine gute Nachbarschaft. Sie halfen sich gegenseitig bei der Bewältigung der Alltagsprobleme in der Landwirtschaft, beim Hausbau und dergleichen. Auf der Nachbarschaft konnte sich jeder verlassen.

Dies ist bis heute so geblieben.

Den Anstoß zu diesem Bericht hat der Schüler Steffen Heinemann gegeben, der seinen Großvater fragte, seit wann besteht eigentlich unser Hof?
Eine gute Frage, sie zeigt, dass sich Jugendliche für unsere heimatliche Vergangenheit interessieren.

Bericht:
– Harry Heinemann, Holler – Neuenwege
– Siegfried Hoffmann – Wraggenort
Oktober 2009

Literatur:
– Chronik der Familie Heinemann
– 400 Jahre Neuenwege 1552 bis 1952 von Willi Heinermann, 1952
– 1552 bis 2002 Neuenwege 450 jährige Geschichte von Neuenwege vom Heimat- und Bürgerverein Neuenwege e.V., 2002
– 700 Jahre Kloster Blankenburg zu Oldenburg von Peter Tornow und Heinrich Wöbken
– Das Wüstenland von Dr. Heinrich Munderloh, 1981
– Geologische Aspekte der Landschaftsentwicklung im Landkreis Oldenburg von Werner Michaelsen, Oldenburg, 2002

Bildnachweise:
– Harry Heinemann – (1)
– Archiv ho – (1)

Schriftlich Veröffentlicht im Bürgerbrief Nummer 81 vom Bürgerverein Wüsting e.V. im April 2012